Der Mentalparasit

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Copyright: Bastei Lübbe-Verlag

Es ist vollbracht, ein neues Professor Zamorra-Abenteuer von mir liegt vor.

Dieses Mal war es eine ganz besondere Freude, denn ich habe einen älteren Faden aufgegriffen. Da war etwas noch nicht so voll und ganz auserzählt. Ich hoffe, der Roman gefällt!

„Drei“ ZWEITER TEIL DES „DUNKLER TURM-ZYKLUS“ VON STEPHEN KING

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Nachdem mich der erste Teil des „Dunkler Turm-Zyklus“ definitiv sehr beeindruckt hat, habe ich jetzt natürlich auch den zweiten Teil gelesen, der amüsanterweise den Titel „Drei“ trägt.

Auch dieses Buch ist für mich eine ganz klare Leseempfehlung, wenn es auch gänzlich anders als der erste Band ist. War der Vorgänger stilistisch völlig anders als alles, was ich bisher von Stephen King gelesen habe, trifft dies auf Band 2 so nicht zu. Handelt es sich also um das, was man als „King-Standard“ bezeichnen könnte?

Nein, das kann man so nicht sagen. Routinierte King-Leser werden sich zwar auf Anhieb heimischer fühlen, aber der Stil bleibt deutlich eigenwilliger und anders.

Gespoilert wird auch hier nicht, aber dennoch gebe ich meinen Senf dazu ab. Der Autor zeigt hier, was für ein erstklassiger Schriftsteller er ist. Neue Figuren werden nicht nur eingeführt, sondern wachsen dem Leser ans Herz. Dies trifft sogar auf schwierige Charaktere zu. Überwiegend kommt eine unerträgliche Kammerspielatmosphäre auf, in der es meist um nicht weniger als Tod und Leben geht. Lediglich im Fall von „Mort“ hat es sich der Autor zu einfach gemacht. Warum ist er so, wie er ist? Aber gut, sei es drum. Auch diese Passage war extrem unterhaltsam.

Was sich in „Drei“ bereits andeutet, ist das virtuose Spiel mit Realitäten und Parallelwelten. Davon bin ich schlicht begeistert.

Stephen King gilt in der Presse als „King of Horror“, was eigentlich eine Farce ist. Natürlich hat er auch Horror geschrieben, aber er ist durch und durch Schriftsteller, kein Genreautor. King ist in meinen Augen vor allem Künstler.

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„Schwarz“ erster Teil des „Dunkler Turm-Zyklus“ von Stephen King

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Ich habe es getan und den Einstieg in den Dunklen Turm gewagt. Die Bücher von Stephen King kenne und liebe ich schon sehr lange, aber an die Buchreihe habe ich mich nicht herangetraut. Zuuu fantasylastig, zu speziell, zu umfangreich war mir der Zyklus.

Meine Meinung wurde durch ein YouTube-Video geändert, indem Passagen aus „Schwarz“, dem ersten Band des Dunklen Turms vorgetragen wurden. Ich fand das cool und episch. Außerdem erinnerte es mich irgendwie an den Stil von Cormac McCarthys „Die Abendröte im Westen“ (Originaltitel: Blood Meridian).

Die Lektüre war zu Anfang völlig anders, als alles, was ich von King gelesen hatte. Für gewöhnlich herrscht eine gewisse Normalität, in die der Horror hineinplatzt. In „Schwarz“ gibt es keine Normalität, sondern einen ambivalenten und zugleich scherenschnittartigen Protagonisten namens Roland. Roland ist Revolvermann, was auch immer das genau ist.
Die Welt in der die Geschichte spielt, hat sich „weitergedreht“. Auch dies wird nicht eindeutig erklärt, aber der Leser kann diese Redewendung durch gewisse Andeutungen mit Leben füllen.

Gespoilert wird hier nicht, das würde einfach den Spaß an diesem großartigen Buch verderben. Ich möchte vielmehr darüber schreiben, wie dieses Buch auf mich gewirkt hat. Einerseits war es nach einer kurzen Einlesephase sehr spannend. Kein Buch hat jemals ein so melancholisches Gefühl bei mir ausgelöst, wie „Schwarz“.

Was „Schwarz“ jedoch ausmacht, ist eine Dilemma-Situation in die der Protagonist unverschuldet gerät und eine verhängnisvolle Entscheidung treffen muss. Was er tut, grenzt für den Leser am Rande des Unerträglichen und gibt Roland etwas extrem Abgründiges. Diese Wendung macht ihn als Charakter sehr spannend.

Weiter geht es mit „Drei“, dem zweiten Teil des Dunklen Turm-Zyklus. Ich habe den Band ebenfalls fast durch und werde ihn natürlich an dieser Stelle ebenfalls besprechen!

Neuer Zweiteiler in der Serie „Professor Zamorra“

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Im Juni gab es gleich zwei Beiträge von mir in der Heftromanserie „Professor Zamorra“ aus dem Hause Bastei. Das Schreiben hat mir großen Spaß gemacht, auch weil es mein erster Doppelband gewesen ist. Der größere Umfang ermöglichte mir mehr Raum für Handlungen und Charaktere, was ich gerne ausgenutzt habe.
Es handelte sich hierbei um:
PZ #1279 „Zug des Grauens“ u. PZ #1280 „Der Mann aus dem Westen“

Copyright: Bastei Verlag
Coypright: Bastei Verlag

(Die Cover sind mega gut, oder?)



Selbstverständlich geht es weiter mit dem Professor:-)

An dieser Stelle möchte ich auf eine Rezension des Blogs „Sternensonde“ von Dieter Krämer verweisen, über die ich mich wirklich gefreut habe: *Klick*

(Werbung aufgrund Markenname)

Wo sind all‘ die Punks hin? Was ist mit Splatterpunk und Cyberpunk?

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Copyright: Stefan Hensch

Wo sind all‘ die Punks hin?

Früher war alles besser. Diese generalisierte Aussage ist unwahr, aber sie triggert so schön. Die eine Gruppe stimmt frenetisch zu, die andere behauptet mit gleicher Vehemenz das Gegenteil.  Beide haben unrecht, denn generalisierte Aussagen sind von Natur selten wahr.

Betrachtet man den Buchmarkt, stellt sich die Lage leider ziemlich eindeutig dar. Bevor der kleine Artikel bereits an dieser Stelle ausatet, möchte ich mich auf den Teil des Literaturbetriebs beziehen, der von den Lesern im Alltag wahrgenommen wird: Beim Einkaufen, im Bahnhofskiosk oder auch im Buchgeschäft – falls sich das Gros der Deutschen sich denn überhaupt noch dorthin verirrt.

Excuse me, es ist 2023. Jawohl, die Welt hat sich weitergedreht und der durchschnittliche Deutsche hat heute viele neue Hobbys. Freizeitbeschäftigungen, die es 1995 noch gar nicht gegeben hat: Onlinegames, Netflix, Smartphonespielereien. Gelesen wird immer noch, aber oftmals nur noch von Hardcore-Lesern. Das gelegentliche Lesen (eines Buches) verschwindet zunehmend. Das aufblühende Homeoffice ohne ÖPNV-Fahrt zur Arbeit macht das begleitende Buch ebenfalls überflüssig. Zuhause gibt es ja schon genug Ablenkung.

Verschlimmernd haben seit den Neunzigern auch eine Verdrängung und kannibalistische Konzentration auf dem Buchmarkt viele Verlage vernichtet. 

Anfang der Neunziger habe ich Clive Barkers „Bücher des Blutes“ in der Buchabteilung des Kaufhofs in der Nachbarstadt Siegburg erworben. Okay, in den Neunzigern gab es auch noch keine Dauerempörten und man war gefühlt deutlich gelassener. Heute gibt es in der betreffenden Kaufhof-Filiale keine richtige Buchabteilung mehr, sondern nur noch ein paar Regale mit den Titeln der Spiegel-Bestseller-Liste. Ironischerweise gibt es das Siegburger Warenhaus selbst auch nur noch bis Januar 2024. Zeiten ändern sich…

Das ich mal die „Bücher des Blutes“ im regulären Buchhandel von einem Publikumsverlag (Knaur) kaufen konnte, ist an und für sich schon kurios. Heute werden Clive Barker  und andere Autoren nur noch von Kleinverlagen wie der Edition Phantasia verlegt und sind dementsprechend praktisch aus dem Präsenzhandel verschwunden. 

Man kann sich jetzt darüber streiten, weshalb das so ist. Mit Sicherheit ist erwähnter Clive Barker kein Liebling des Massengeschmacks. Oft genug schreibt er hart am Limit und überlastet viele Leser, wenn er im Splatterpunk ankommt. Gleichzeitig ist Clive Barker aber ein sehr guter Schriftsteller, der mühelos einen Sebastian Fitzek weit in den Schatten stellt. Fitzek ist einer der Stars auf den deutschen Buchmessen und macht mit „gewaltpotnographischen“ Thrillern (Dennis Scheck) gutes Geld. Es gibt also durchaus Kunden für Geschichten mit härterer Gangart, daran kann es also auch nicht liegen.

Liegt es am Genre, also im weitesten Sinne dem Splatterpunk? Anders als bei Fitzeks Thrillern geht es beim Splatterpunk genauso wie beim Cyperpunk um Rebellion und Revolte gegen Autoritäten und das Establishment. William Gibson, Bruce Sterling und Neal Stephenson finden sich als Vertreter des Cyberpunks jedoch (noch) bei großen Verlagen und dementsprechend in den Regalen der Buchhandlungen. Vielleicht hat das mit dem grassierenden Hype der Dystopien zu tun, vielleicht weil die Rebellion im Cyberpunk naturgemäß in der Zukunft und etwas weniger brachial stattfindet.

Andererseits muss auch gesagt werden, dass junge Cyperpunk-Autoren (oder gar deutsche Vertreter) auf der großen Verlagsbühne absolut keine Rolle spielen – im Gegensatz zu Vertretern des Thriller-Genres. Und wenn wir gerade dabei sind, sollten wir das auch auf andere Punks ausweiten, also Autoren von Steam- und Nanopunk zum Beispiel. Anders sieht das gefühlt bei Vertretern des Solarpunks und Hopepunks aus, die Formen des Optimus als Mittel der Wahl ausgewählt haben und sich dezidiert auf Ökonomie und Nachhaltigkeit beziehen. Zumindest finden diese Punks in den Medien ein Nachhall, was sich in entsprechenden Veröffentlichungen bei größeren Verlagen niederschlagen könnte. Aber sind das überhaupt richtige Punks? Lassen wir das an dieser Stelle…

Wo sind all‘ die Punks hin?

Widerstand, Revolte und der Schrei nach Veränderungen sind für das Establishment schon immer vor allem unangenehm gewesen. In der Science Fiction gestattet man Autoren mehr oder minder getarnte Versuche des Aufmuckens. Die Revolution findet dort ja auch niemals heute, sondern immer morgen statt. Faktisch also nie. Gegenwartsliteratur ist da schon unangenehmer, zumal anständiger Splatterpunk unter die Gürtellinie geht. 

Und da sind wir meiner Meinung nach auch am Knackpunkt angekommen: Splatterpunk ist Gewalt, Sex und es ist in jeder anderen nur erdenklichen Hinsicht dreckig. Damit steht es dem Zeitgeist diametral entgegen: Der ist positiv optimistisch, clean und immer auch gedanklich keimfrei. Hier schließt dann auch eine mögliche Erklärung für den potenziellen Erfolg von Solarpunk und seinem Vetter Hopepunk an: Sie schwimmen mitten im Zeitgeist mit. Außerdem geht es in ihrer DNS mehr um Hoffnung als um Wut. 

Warum ist diese Unterscheidung wichtig? Verlage verwenden immer öfter Sensivity Readings, um Probleme mit Minderheiten aus dem Weg zu gehen. Ebenso wird viel über Triggerwarnungen und Content Notes diskutiert. In ein solches Schemata passt das Genre Splatterpunk (oder jeder ernsthafte Punk) einfach nicht hinein. Im Gegenteil, es wirkt ja fast schon subversiv und wie eine Einladung für einen Shitstorm.

Am Ende muss man sagen, dass die literarischen Punks nicht weg sind. Es gibt sie noch, aber man findet sie kaum mehr zufällig in irgendeiner Buchhandlung. Der aktuelle Zeitgeist ist einfach völlig anders und hindert Verlage, mutiger zu sein. Wer also Lust auf düstere Rebellion hat, kann bei Kleinverlagen fündig werden. Wenn sich das weiter herumspricht, können aus kleinen Verlagen auch mal größere werden!

Ihnen hat der Artikel gefallen? Sie haben Fragen, oder sehen das völlig anders? Schreiben Sie mir: info(at)stefanhensch.de

Ein neuer Professor Zamorra mit meiner Beteiligung: Katakomben des Schreckens

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Auch beim aktuellen Band 1275 habe ich mich beteiligen dürfen. Es handelt sich um ein kleines Special, an dem weiterhin meine Autorenkollegen Manfred Weiland, Christian Schwarz und Thilo Schwichtenberg beteiligt sind.

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Es geht thematisch um die geheimnisvollen Katakomben unter dem Château. Meine Geschichte trägt den Titel „Duell mit dem Würfeldämon“ und ich habe darin mit psychologischen Horror experimentiert.

Als Heft ist das gute Stück im Bahnhofsbuchhandel erhältlich, die E-Books gibt es bei allen Dealern.

Ästhetik der Stumpfheit: The Shards 

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von Bret Easton Ellis

13 Jahre hat es gedauert, bis ein neuer Roman von Bret Easton Ellis erschienen ist. Er trägt den Titel „The Shards“ (Die Scherben), hat einen Umfang von 736 Seiten und ist beim Verlag Kiepenheuer & Witsch in Köln erschienen.

Es geht um die Erlebnisse einer Schülergruppe um den Siebzehnjährigen Bret Ellis im Los Angeles des Jahres 1981 und das Auftauchen eines Serienmörders. Soweit so gut, das sind alles Ingredienzen die man von Bret Easton Ellis kennt UND schätzt. Haben wir es also mit einem weiteren Meisterwerk zu tun?

Erzähler ist „Bret Ellis“, der jedoch nicht mit Bret Easton Ellis identisch ist, aber sicher einiges gemeinsam hat.  Man merkt also, Autofiktion gehört auch zu The Shards.

Das Buch ist ein absoluter Pageturner, der das Sujet der frühen Achtziger und ihrer Popkultur hervorragend einfängt. Langweilig war die Lektüre nie, jedoch gibt es auch Kritikpunkte. Im Gegensatz zu Ellis‘ bisherigen Werken ist das Buch geradezu verschwenderisch umfangreich. Für mich als absoluten Fan des Autors ist das jedoch alles andere als negativ. Wenn man anstelle einer 0,75 Liter Flasche seines Lieblingsweins auch eine 1,5 Liter Pulle haben kann – warum nicht? 

Einschränkend darf nicht unerwähnt bleiben, dass The Shards niemals als Debütwerk in seiner jetzigen Form erschienen wäre. Muß es auch nicht, Ellis ist ja Bestsellerautor. Trotzdem wurde hier eine Chance verschenkt – das Buch hätte mit massiven Kürzungen zu einem Meisterwerk wie Unter Null oder American Psycho werden können. The Shards ufert einfach aus und verliert zu oft seinen roten Faden. Dreihundert Seiten weniger wären „mehr“ gewesen. So bleibt The Shards wahlweise ein „gutes Buch“ und „sehr gutes Buch“. Warum ich zwei Wertungen gebe?

Wer Unter Null kennt, muss The Shards  einfach lieben, dient es doch als Schlüsselroman und Interpretationshilfe für Clay, den Protagonisten von Unter Null. Wie wurde er so abgestumpft und was soll sein Nihilismus? Für Leser von Unter Null verdient das Buch definitiv ein sehr gut. Für alle anderen bleibt es ein zweifellos gutes Buch, mehr aber nicht.

Es wird gefickt, masturbiert, geblasen, Blut und Sperma spritzen literweise. Die Szenen fügen sich organisch in die Handlung und wirken keinesfalls sensationslüstern.

Von der Handlung verrate ich nichts weiter, denn das sollte man selbst erlesen. Stilistisch hat sich Ellis weiterentwickelt, er bleibt sich jedoch stets treu. Mir persönlich ist der Stil fast schon zu verschnörkelt, deshalb gefällt mir Unter Null immer noch besser.

Am Ende bleibt eigentlich nur eine Frage: Lese ich als nächstes Unter Null, oder American Psycho? Oder besser nochmal beides?

Der nächste Meilenstein als Autor: Ich werde übersetzt!

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Als Autor habe ich mich immer von einem Ziel zum nächsten gehangelt: Einmal eine Kurzgeschichte zu schreiben, die erste Veröffentlichung in einer Anthologie, das erste Mal ein Honorar für einen Text bekommen, die erste Rezension über eine eigene Geschichte lesen, in der ersten Serie mitschreiben, der erste veröffentliche Heftroman… Jetzt darf ich dieser Liste etwas hinzufügen, denn einer meiner Romane wird ins Englische übersetzt!

Es handelt sich dabei um meinen ersten Beitrag zur Heftromanserie MADDRAX von Bastei Lübbe, der mit einigen anderen Bänden in einem Sammelband veröffentlicht wird. Das ist ein ganz tolles Gefühl, dennoch ist natürlich auch Bescheidenheit angesagt: Die Serie MADDRAX ist der Star, nicht ich.

Als zusätzliches Gimmick gibt es noch ein Cover des Künstlers Nestor Taylor, das sich auf eine Szene in meinem Roman bezieht. Autorenherz, was willst Du mehr?

Hier gehts zum englischen Sammelband!

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Ich und Lew Tolstoi: Anna Karenina

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Ja, ich lese Klassiker. Als Autor sollte man seine Tradition kennen, deshalb folge ich auch „Literatur ist Alles“ dem YouTube-Kanal von Markus Gasser. Wenn man das tut, kommt man zwangsläufig auch nicht um Charles Dickens, Vladmir Nabokov und eben Lew Tolstoi vorbei. Aber auch anderswo gilt: Anna Karenina sei ein Beispiel für einen perfekten Roman. Aus dem Grund habe ich mir das Epos mit fast 1300 Seiten vorgenommen.

Copyright: DTV-Verlag



Für meine Lektüre habe ich die Übersetzung von Rosemarie Tietze des DTV-Verlags aus dem Jahr 2011 gewählt. In dieser Rezension werde ich mich inhaltlich zurückhalten, da die Geschichte um Anna Karenina, ihren Ehemann und Wronski wohl hinlänglich bekannt und im Internet verfügbar ist. Anstelle dessen möchte ich darüber sprechen, wie ich die Lektüre empfunden habe.

Anna Karenina ist ein Klassiker, ein Meisterwerk und nicht zuletzt einfach ein gutes Buch. Trotzdem kommt dieses Buch nicht auf die Liste meiner zehn Lieblingsbücher und ich werde es auch definitiv kein zweites Mal lesen. Das hört sich nach einem Widerspruch an? Vielleicht trifft das zu, vielleicht auch nicht. Grundsätzlich gibt es für mich keinen Widerspruch. Persönlicher Geschmack sollte (und darf) nicht das qualitative Urteil über einen Roman beeinflussen.

In der Tat war es so, dass ich das Buch während der Lektüre regelrecht als Last empfunden und am liebsten in den Müll geschmissen hätte. Das lag jedoch ausschließlich an meiner Erwartungshaltung und an meinem Geschmack. Lew Tolstoi hat einen epochalen Gesellschaftsroman des zaristischen Russlands erschaffen, der äußerst opulent und kunstvoll geschrieben ist. Weder Tolstoi, noch das Buch kann etwas dazu, dass ich große Teile davon geradezu einschläfernd langweilig empfunden habe. Exemplarisch seien hier die seitenlangen Exkurse über den russischen Landarbeiter und die Landwirtschaft an sich genannt.

In großen Teilen stimme ich Roger Wilhelmsen Meinung, die er einst über Anna Karenina als Protagonisten formuliert hat. Tolstoi kann seine Anna nicht gemocht, oder gar geliebt haben. Zwischen seiner Beschreibung ihrer Person und ihres Charakters klafft eine Art Lücke, die bei anderen seiner Figuren nicht existiert. Immer wieder wird Tolstois Fähigkeit für gekonnte Charakterisierungen gelobt und das ist mir etwas schleierhaft. Was Tolstoi definitiv wie keinem anderen gelingt, ist die Darstellung der inneren Zerrissenheit seiner Charaktere: Anna wird zwischen Familie und Liebe aufgerieben, Wronski zwischen dem Leben als Vater und Karriere, Karenin zwischen Religion und wahrer Liebe, Lewin zwischen Nihilismus, Glaube und Progressivismus usw. usw. Diese Darstellungen finde ich hervorragend, leider führt das aber nicht zu dem Gefühl von Nähe zu den Figuren. Dies habe ich bei Dostojewski und Tschechow besser entdecken können.
Andererseits irrt Wilhelmsen natürlich in ein paar anderen Punkten, denn Anna stirbt nicht „ein paar hundert Seiten“ vorm Schluss und muss die Hauptfigur des Buches sein, da sie die Bindestelle für die anderen Schicksale der übrigen Protagonisten ist.  

Andere Kritiker behaupten, dass gerade der Schluss von Anna Karenina äußerst schwach sei und eher Tolstois Hang zu journalistischen Texten entspräche. Gerade dieser Schluss ist es, der das Buch für mich zu einem sehr guten Abschluss gebracht hat, indem gerade das Spannungsfeld um Lewin aufgelöst werden konnte. Das war für meinen Geschmack definitiv nötig und trägt letztlich zum hohen Ansehen des Buches und Tolstoi als Erzähler bei.

Mir ist hingegen ein formaler Punkt aufgesto0en. Beim Lesen habe ich mir an einer Stelle einfach mal den Spaß gemacht und auf einer Seite die permanenten Wiederholungen der immer gleichen Namen markiert. Russische Namen sind ja von Natur aus nicht kurz und bestehen meistens aus drei Bestandteilen. Werden diese Benennungen andauernd wiederholt, hat dies etwas von einer Gebetsmühle. Einerseits gestaltet sich das Lesen durch diese Praxis extrem zäh, andererseits könnte der massive Umfang des Buches drastisch durch eine maßvolle Überarbeitung verringert werden.  Ja, damit gingt vielleicht etwas an Authentizität verloren, im Gegenzug würden Zugänglichkeit und Lesbarkeit gesteigert. Wie gesagt, das ist ein formaler Kritikpunkt, der für mich aber wirklich groteske Züge trägt.

Als Autor habe ich jedoch von der Lektüre profitiert, wenn ich auch niemals ein Buch wie Anna Karenina schreiben werde. Die Passagen über den Maler in der russischen Kolonie in Russland, Lewins Sinnfindung, die Interaktion der Charaktere und wie ein Roman authentisch aus der Sicht vieler unterschiedlicher Charaktere erzählt werden kann, sind für mich absolut meisterhaft.

Eine kleine Anekdote habe ich noch zum Schluss, auch wenn sie mit dem Buch an und für sich nichts zu tun hat. Sie bezieht sich auf die Verfilmung von Anna Karenina mit Keira Knightley in der Titelrolle, von 2012. Beim Zappen sah ich zufällig einen Ausschnitt und blieb hängen, bis ich Aaron Taylor-Johnson als Wronski sah. Keira Knightley ist zweifellos eine attraktive Frau, aber eine absolute Fehlbesetzung. Wronski hingegen verkommt zu einem teenageresken Schnäuzchenträger und entbehrt dabei auch nicht einer absurden Komik. Dass dieses Jüngelchen für eine Frau wie Anna Karenina der Grund für ihren totalen Schiffbruch gewesen sein könnte, ist schlicht irrwitzig. Hier wird vielleicht erneut die wahre Größe dieses Meisterwerks ersichtlich, denn die Figuren haben sich in mein Bewusstsein eingebrannt.

So viel zum Thema Anna Karenina!

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