Jan Tenner: Ein neuer Anfang

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Copyright: KIDDINX / Zauberstern Records

Ich wurde 1978 geboren und bin deshalb wohl ein Kind der 80er Jahre. Meine Kindheit war geprägt von den Masters of the Universe, dem C64,  aber auch sehr vielen Büchern UND Hörspielen. 

Neben den Einstiegsdrogen „Benjamin Blümchen“ und „Flitze Feuerzahn“ waren es besonders zwei Serien, die bei mir bleibenden Eindruck hinterlassen haben: „Die drei ???“ und „Jan Tenner“.
Während „Die drei ???“ ununterbrochen und mit großem Erfolg laufen, ist es um „Jan Tenner“ ruhig geworden. Die Serie endete offiziell 1989 (ich war damals 11 und unfassbar traurig) und wurde erst 2000 mit einer letzten Folge abgeschlossen. 

Heute schreiben wir 2019, ich bin demnach 41 und mein kleiner Sohn hat gerade „Benjamin Blümchen“ für sich entdeckt. Just zu diesem Zeitpunkt erscheint das Hörspiel „Ein neuer Anfang“ als Nummer 1 einer neuen „Jan Tenner“-Serie. Was blieb mir da schon anderes übrig, als sofort einzusteigen?

Ich habe meine Erwartungen an die neue Serie bewusst etwas heruntergeschraubt. „Jan Tenner“ ist für mich natürlich ein Stück Kindheit, also extrem positiv besetzt. Das muss ich bei meiner Rezension einfach berücksichtigen, sonst kann daraus keine faire Beurteilung erfolgen. Also habe ich „Ein neuer Anfang“ in meinen CD-Player eingelegt und mir eine Stunde Freizeit gegönnt.  Soviel möchte ich schon jetzt verraten: Ich habe es definitiv nicht bereut!

Wenn ich ganz ehrlich bin, hatte mich das Hörspiel bereits bei den ersten Klängen des  Synthesizer –Soundtracks um den Finger gewickelt. Ich bin kein Musiker und generell eher der Welt der Schrift zugewandt, aber für mich hörte sich das ziemlich nach dem originalen Soundtrack an. Vielleicht wurde er minimal aktualisiert, da bin ich mir aber nicht sicher.
Generell wurde das Hörspiel extrem sauber und aufwendig produziert. Alle Einsätze sind auf den Punkt, der Pegel befindet sich auf einem einheitlichen Niveau und es wurden ausschließlich professionelle Sprecher ausgewählt, was sich am Ende nur noch mit „Kino für die Ohren“ beschreiben lässt!

Ich habe mich dabei besonders über Till Hagen gefreut, den ich als „Dr. Templeton“ in der (leider unvollendeten) Hörspielserie „Edgar Allan Poe“ von LPL kennen und „hassen“ gelernt habe. In Deutschland ist Till Hagen wahrscheinlich deshalb bekannt, da er die deutsche Stimme Kevin Spacey ist.
Aber das ist natürlich nur bedingt wahr, denn ich verschweige gerade Lutz Riedel und Marianne Groß als DAS Highlight. Bei diesen Sprechern handelt es sich nämlich um die Originalstimmen von Jan Tenner und Laura aus der alten Serie!

Inhaltlich werde ich nicht zu viel verraten, da ich niemanden den Genuss dieses wirklich gelungenen Hörspiels verderben möchte. Deshalb nur so viel: Westland erlebt nach dem Friedensvertrag mit den Leonen eine Phase der Prosperität. Nur Ostland schottet sich unter einem Energieschirm ab und ist nicht zur internationalen Kooperation bereit.
Eines Tages werden General Forbett, Laura und Jan Tenner durch die dringliche Bitte von Professor Futura in sein Institut gerufen. Forbett kommt vor Jan und Laura im Institut an, als sich dort seltsame Dinge ereignen. Da Laura und Jan im Verkehr festhängen, rufen sie im Institut an und haben plötzlich Mimo in der Leitung, also den Bordcomputer des Silbervogels.  Außerdem hören sie einen Schrei, der von Tanja, der früheren Assistentin von Professor Futura ausgestoßen wurde. Die Assistentin wurde einst bei einem Experiment lebensgefährlich verletzt und daraufhin vom Professor eingefroren.  Doch dann nehmen die Dinge ihren Lauf und eine vernichtende Explosion zerreißt das Labor. Professor Futura, General Forbett und Tanja werde daraufhin für Tod erklärt. Nur Mimo hat die Explosion unbeschadet in einem Stasis-Feld überlebt. Mehr möchte ich aber wirklich nicht verraten, da jeder Interessierte sich das Hörspiel selbst gönnen sollte!

Aber dennoch habe ich noch nicht alles gesagt. Das Hörspiel trägt den Titel „Ein neuer Anfang“ und ich muss gestehen, es hätte keinen besseren Titel geben können. Zauberstern Records ist es gelungen, die Serie ins Jetzt zu holen.  Das gelingt durch einen erzählerischen Kniff, den ich an dieser Stelle nicht verraten möchte.  Ich will es aber abstrakt ausdrücken: Die Zeit ist eben auch nicht in Westland stehengeblieben, der Kosmos hat sich mit allen Protagonisten glaubhaft weiterentwickelt. Aber dies bedeutet auch, dass es natürlich nicht so weitergeht wie „früher“. Diesen Ansatz hat Zauberstern Records auch löblicherweise nicht verfolgt, deshalb beginnt die neue Serie auch konsequent mit Folge 1. Um allen Spekulationen zuvorzukommen: Nein, es handelt sich auch nicht um eine „Neo Jan Tenner“ Variante, wie dies z.B. bei „Perry Rhodan Neo“ gemacht wird. Die Idee dahinter ist eine Neuerzählung alter Abenteuer aus der heutigen Perspektive. Das gelingt bei „Perry Rhodan Neo“ sehr gut, aber im Fall von „Jan Tenner“ freue ich mich lieber auf wirklich neue Abenteuer.  Dies schließt dann allerdings auch vielleicht einen neuen Protagonisten ein, der aber dem alten sehr „ähnlich“ ist. Diese Quadratur des Kreises schafft der Sprecher Florian Clyde auf fast geniale Art und Weise.

Die neuen Geschichten stammen übrigens von Kevin Hayes, der auch schon die Skripte für die Classic-Serie ab Episode 7 geschrieben hat. Deshalb kann ich als Nostalgiker getrost sagen: Man erkennt die Serie sofort wieder, auch wenn sie sich mit „Ein neuer Anfang“ wirklich von Grund auf neu erfunden hat. Besonders erwähnenswert finde ich, dass  „Althörer“ und „Ersthörer“ gleichermaßen dabei auf ihre Kosten kommen. Alles dringend Notwendige erfährt der Hörer durch dezente Erklärungen im Hörspiel.

Ich habe mich mit Folge 1 wirklich gut amüsiert und vor allem „gleich wieder zu Hause gefühlt“.  Das hat meiner Meinung nach vor allem mit der hervorragenden Arbeit des Regisseurs Simeon Hrissomalis, den tollen Sprechern, dem Skript von Kevin Hayes und der stimmungsvollen Soundkulisse zu tun. KIDDINX hat mit Zauberstern Records einfach einen sehr professionellen Partner gefunden, der respektvoll mit der Classic-Serie umgeht und ganz toll performt!

Dennoch gibt es für mich auch einen Wehrmutstropfen. Mir ist als Kind vor allem auch Heinz Giese als bärbeißiger General Forbett in Erinnerung  geblieben. Leider ist Heinz Giese aber bereits 2010 verstorben. Aber das liegt leider in der Natur des Menschen – sein Leben ist endlich.

Ob ich weiter dranbleiben werde? Aber natürlich! Ich bin schon gespannt,  um wen es sich bei dem neuen Feind (jawohl, den gibt es auch) genau handelt, und wie man ihn besiegen kann!